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Reiseberichte aus dem Sanella-Album Mittel- und Südamerika |
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Da waren sie deutlich zu sehen: mehrere ganz nackte Waldindianer. Als wir uns ihnen zukehrten, verschwanden sie lautlos im Dunkel des Urwalds. Das schien uns nicht recht geheuer. Hatten sie Angst oder wollten sie uns auflauern? Aber vielleicht fanden wir in der Richtung, in der die nackten Gestalten eben verschwunden waren, einen Indianerpfad, der uns zu einer menschlichen Siedlung führte. Noch einen letzten wehmütigen Blick auf unseren braven Vogel und dann vorsichtig sichernd dem Waldrand zu. Richtig, hier mündete ein Pfad. Noch ein paar Schritte - und die grüne Dämmerung nahm uns auf. Von den Waldindianern war nichts zu sehen. Wohl knackte es hier und da im Unterholz. Aber sie blieben verschwunden. Lauerten sie uns in einem Hinterhalt auf? Marsch durch den Urwald Draußen war brütende Sonnenglut, hier drinnen drückende Schwüle. Im Nu waren wir schweißgebadet. Kein Lüftchen regte sich unter dem gewaltigen grünen Dach. Und was war das für eine seltsam fremdartige Welt ringsumher! Nicht wie in unseren deutschen Wäldern. Über dem schmalen Pfad lagen gestürzte Baumriesen. Aus ihren faulenden Stämmen wuchsen neue Pflanzen. Überall wucherte und grünte es wild durcheinander. Die herrlichsten bunten Blüten. Und dort - ja, flogen dort Blüten durch die Luft? Nein, es sind winzige Vogel - Kolibris in zauberhaften Farben. Blitzschnell erscheinen die Tierchen, schweben vor einer Blüte mit surrenden Flügeln - und sind wieder verschwunden. "Blumenküsser" nennen sie die Brasilianer. Hoch in den Baumkronen krächzten Papageien, schimpften und lärmten Affen. Plötzlich gab es ein ohrenbetäubendes Gezeter. Eine Herde von Brüllaffen mit schwarzem, zottigem Fell bellte heiser auf uns herab. Sie waren offensichtlich mit unserem Vordringen in den Urwald nicht einverstanden. Jetzt knackte und schnaufte es im Dickicht. Der Lärm der Affen hatte einen Tapir aufgescheucht, der unseren Pfad kreuzte und wieder im Dickicht verschwand. Onkel Tom, der voranschritt - ich ging zwischen ihm und Fernandez -, zeigte nach oben. Dort hingen seltsame Gestalten, unbeweglich und träge: Faultiere. Das eine wandte den Kopf im Zeitlupentempo. Auch in der Nähe kreischende Papageien konnten es nicht aus der Ruhe bringen. Ich war stehengeblieben. Seitlich fiel ein Sonnenstrahl durchs Geäst. Auf dem Boden schien ein leuchtender Teppich ausgebreitet. Als ich einen Schritt darauf zu machte, schwebte eine märchenhaft bunte Wolke auf. Hunderte herrlichster Schmetterlinge. Onkel Tom und Fernandez waren schon ein Stück voraus. Ich schaue noch den Schmetterlingen nach, da fällt mein Blick auf einen Farbfleck dicht über mir an einem Ast. Seltsam, was es hier für Äste und Baumrinden gibt! Aber da stockt mir der Atem: Das ist kein Baumast - das ist eine Riesenschlange. Dort ist der Kopf. Er hebt sich langsam. Ich stehe einen Augenblick wie versteinert - und dann laufe ich, so schnell ich kann, hinter den andern her. Die lachen, als ich mein Abenteuer erzähle. Riesenschlangen sind angeblich gar nicht so gefährlich. "Die hat vielleicht gerade ein fettes Wildschweinferkel verdaut - und giftig ist sie sicher auch nicht gewesen", meint Fernandez. Aber Jupp, sag selbst, kann das einer vorher wissen? - Der Pfad führt endlos weiter. "Ein Glück", sagt Fernandez, "daß der Boden einigermaßen trocken ist und daß wir nicht in eine Gegend geraten sind, wo der Wald immer unter Wasser steht." Es gibt unzählige Insekten hier; irgendwo sticht und beißt es immer. Und dazu die Hitze! Ich bin zum Umfallen müde. Sind die Waldindianer noch in der Nähe? Werden sie uns skalpieren? |
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Die gastfreien Indios Da, was ist das? Der Wald lichtet sich. Grelles Sonnenlicht fällt herein. Und sind das nicht menschliche Stimmen? Wir treten auf eine große Lichtung. Dort drüben stehen mit Maisstroh gedeckte Hütten, davor hocken Indios - Frauen und Kinder. Hier sind auch Felder... Wir haben eine Indianersiedlung erreicht. Zwei Männer kamen auf uns zu und begrüßten uns. Einer konnte etwas Portugiesisch, die Landessprache Brasiliens. Woher wir kämen? Mit dem Flugzeug abgestürzt, mitten im Urwald? Heilige Mutter Gottes! Wir fragten, wie weit es zur nächsten Flugstation wäre. Oh, sehr weit, zwei Tagemärsche oder drei. Über Nacht sollten wir bei ihnen bleiben. Und schon wurden wir zum Essen eingeladen. Vor einer Stunde waren die Männer von der Jagd heimgekehrt mit einem Jaguar als Beute. |
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Nun gab es heute ein Festessen. Tatsächlich waren die Frauen schon dabei, die Bestie zu zerlegen und zuzubereiten. Der Indio erzählte uns von der Jagd. - Sie waren schon auf dem Heimweg gewesen, als sie plötzliches Gezeter der Affen auf das Raubtier aufmerksam gemacht hatte. Es gilt zwar als nicht sehr angriffslustig, aber es ohne Gewehr zu erlegen, ist doch eine besondere Kunst, wobei es nicht immer gut abgeht. Es gäbe übrigens noch andere Räuber hier im Urwald. Zum Beispiel das Beuteltier! Er zeigte uns ein totes Tier, das hinter der Hütte lag. Das war letzte Nacht in den Hühnerstall eingebrochen. Er hatte es noch rechtzeitig erwischt und erschlagen. Hühner im Urwald? |
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